Umsiedlung eines Nestes der MITTLEREN WESPE oder KLEINEN HORNISSE (Dolichovespula media)

Bericht und Fotos: Frank Hornig

23.05.02

Ein Anrufer meldet ein Hornissennest auf einem Firmengelände an einem Presscontainer, das dringend umgesiedelt werden müsse. Bei Fragen nach dem Aussehen des Nestes, nach Farbe, Oberflächenstruktur, Ort, Aussehen der Königin etc, stellt sich heraus, dass es sich wohl eher um ein Wespennest handelt. Ich verspreche, am nächsten Tag vorbei zu kommen und mir die Sache vor Ort anzusehen, um eine genauere Bestimmung der Wespenart vorzunehmen und zu klären, was zu tun ist.

24.05.02

Als ich mir das Nest am Container ansehe, das zwar überdacht aber in keinem dunklen Bereich hängt, tippe ich zunächst auf die Sächsische Wespe, die bei uns recht häufig auftritt. Kurz darauf kehrt aber die Königin von einem ihrer Flüge mit Baumaterial zurück und ich bin doch überrascht, dass es sich um die sogenannte "MITTLERE WESPE" oder "KLEINE HORNISSE" (Dolichovespula media) handelt. Ich hatte zwar vorher schon Arbeiterinnen dieser Art gesehen aber noch nie eine Königin samt Nest. Das Nest selbst ist mit einer kleinen Außenhülle umgeben, die jedoch den Blick auf die Anfangswabe erlaubt. Dort sitzt die Königin auf den Zellen, die schon mit Eiern, Larven und sogar Puppen bestückt sind.

Die "Mittlere Wespe" ist bei uns in der Region (Braunschweig) seltener anzutreffen als die Hornisse. Die Königin dieser Art ist ähnlich gefärbt wie eine Hornisse und erreicht fast die Größe einer Hornissenarbeiterin. Daher wird sie oft mit Hornissen verwechselt. Die Arbeiterinnen von D. media können hingegen farblich sehr unterschiedlich sein. Ausführliche Informationen zu dieser Art und Fotos finden Sie auf einer weiteren Webseite unserer Galerie.

Da der Container bald geleert werden muss, entschließe ich mich zu einer schnellen Umsiedlung. Das nötige Werkzeug (Messer, kleiner Aquarienkäscher, kleines Gefäß für die Königin) habe ich dabei. Allerdings keinen Fotoapparat, da ich mit einer D. Media nicht gerechnet habe. Da kann man nichts machen. Die Königin wird also mit dem Käscher eingefangen und das Nest vorsichtig mit einem Messer abgetrennt.

Zu Hause angekommen, versorge ich zunächst die Königin mit Bienenfutterteig, um sie zu beruhigen und während der Umsetzung mit Nahrung zu versorgen. Da die Mittlere Wespe kein Dunkelhöhlenbrüter ist, sondern meist freihängend baut (oft in Hecken), entferne ich bei einem mittelgroßen Vogelkasten die Frontseite und klebe die Wabe mit Hilfe einer Klebepistole und zwei kleinen Holzkeilen an der Decke des Kastens fest. Dafür wird die Wabenhülle entfernt. Sie wird aber von den Insekten meist schnell ersetzt. Die Wabe selbst mit den Zellen bleibt unbeschädigt. Der Kasten wird auf den Kopf gestellt und die Wabe vorsichtig befestigt. Während dieser Prozedur sitzt die Königin in "Einzelhaft" und stärkt sich mit dem Futterteig. Danach bringe ich den Kasten und die Königin (noch getrennt) ins Zielbiotop.

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Wabe im Kasten Eier, Larven und Puppen in den Zellen Gefangene Königin mit Bienenfutterteig

Kasten mit Fliegengitter samt "Einfüllstutzen" für die Königin

Dort angekommen, verschließe ich den Kasten mit Fliegengitter und setze die Königin wieder den Waben zu. Somit kann sie nicht sofort panikartig fliehen, sondern an dem neuen Standort Wabentreue entwickeln. Nachdem ich die Königin auch dort mit Bienenfutterteig versorgt habe, wird sie eine Nacht mit ihrem Nest zusammen eingeschlossen.

25.05.02

Habe heute den Nistkasten der Mittlere Wespe geöffnet. Dabei habe ich die obere Hälfte weiterhin mit dem Fliegendraht geschützt, um Vögeln das Zerstören des Nestes zu erschweren. Die untere Hälfte ist nun geöffnet und die Königin kann sich an das neue Biotop gewöhnen.

26.05.02

Bei der Kontrolle des Nistkastens der Mittleren Wespe stelle ich fest, dass die Königin weiter an den Waben baut. Ich hoffe, die Umsiedlung bleibt erfolgreich. Unweit des Kastens fliegt eine Hornissenkönigin.

Die untere Hälfte des Gitters ist geöffnet, die Königin kann frei fliegen, während der obere Teil als Schutz vor Vögeln dient. Oben ist die Wabe durch das Gitter gut zu erkennen. Unten rechts klebt weiterhin weißer Bienenfutterteig für die Königin.

Blick von unten in den Kasten. Unter schwierigen Bedingungen fotografiert aber trotzdem leidlich zu erkennen: Die Königin sitz auf der Wabe. Sie hat den neuen Ort angenommen, füttert die Brut und baut weiter am Nest. Bis hierher war die Umsiedlung erst einmal erfolgreich. Drücken wir die Daumen! Vergrößert: Königin auf den Waben

30.05.02

Die Wabenhülle ist wieder vollständig ersetzt

02.06.02

Die ersten 2-3 Arbeiterinnen sind geschlüpft und unterstützen die Königin. Allerdings muss die Königin noch immer selber das Nest verlassen um auf Beutefang zu fliegen und Baumaterial heranzuschaffen. Die risikoreiche Phase für das kleine Volk ist somit noch nicht überstanden.

04.06.02

Ich schätze 5-6 Arbeiterinnen unterstützen die Königin inzwischen fleißig bei ihren Aktivitäten. Der Größenunterschied zwischen den Arbeiterinnen und der Königin ist enorm. Die Arbeiterinnen kommen mir sehr klein vor. Auch bei Hornissen gibt es ja das Phänomen, dass die ersten Arbeiterinnen oft etwas kleiner sind als diejenigen, die später im Sommer schlüpfen, weil sie dann als Larven meist besser versorgt wurden.

Aber verblüffend ist immer wieder die vollständig andere Färbung von Arbeiterinnen und Königin bei der MITTLEREN WESPE. Während die Königin auf den ersten Blick wirklich als Hornissenarbeiterin durchgehen könnte, sind die Arbeiterinen viel kleiner und schwarz-gelb, wobei das Schwarz klar dominiert.

Eine der Arbeiterinnen mag es offenbar nicht besonders, wenn ich mich sehr Nahe am Kasten aufhalte und bleibt mir auf den Fersen, bis ich mich wirklich 10-15 Meter entfernt habe. Das bin ich von "meinen" Hornissen (gerade auch bei solch kleinen Völkern) absolut nicht gewohnt.

Das kann ja noch heiter werden :-)

Als ich die nähere Umgebung genauer untersuche, entdecke ich etwa 50 Meter entfernt eine Hornissenkönigin, die immer wieder in einen Reisighaufen mit dicken Ästen, dichtem Moosbewuchs und Laub einfliegt. Wahrscheinlich ist darin eine natürliche Höhlung verborgen, die halbwegs vor Niederschlägen geschützt ist und in der sie ein Nest gebaut hat. Unter Umständen ist es die Königin, die ich hier neulich beobachtet habe. Sie hat sich diesen natürlichen Nistort gewählt, obwohl nicht weit entfernt unsere Hornissenkästen hängen. Die sind dieses Jahr - allem Anschein nach - bisher unbelegt geblieben sind. Auch eine Spitzmaus tummelt sich unter dem Haufen. Die könnte natürlich zu einer Gefahr für das Nest werden, solange die Königin noch allein ist und die Brut somit häufig unbewacht bleibt.

Wie sich die Nachbarschaft der Hornissen (falls das Nest erfolgreich bleibt) auf unsere Dolichovespula Media-Kolonie auswirkt, bleibt abzuwarten.

08.06.02

Den ganzen Tag über regnet es. Mal stärker, mal Nieselregen - dazwischen kurze Pausen.

Bei der Kontrolle des umgesiedelten D. media Nestes zähle ich um die 10 Arbeiterinnen. Sie verlassen nur selten das Nest. Die Ausflüge sind eher kurz. Von der Königin ist außerhalb des Nestes nichts zu sehen. Fliegt sie nicht mehr aus? Liegt es nur am Wetter?
Da die Außenhülle vollständig ersetzt ist und nur noch ein kleines Einflugloch in das Innere führt, kann ich das Innenleben des Nestes nicht mehr beobachten. Auch die Arbeiterinnen halten sich größtenteils im Inneren des Nestes auf.

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Auch durchs Gitter zu erkennen: Das Nest ist gewachsen Schöne Außenhülle mit Flugloch


Als ich allerdings beginne, mit einer Drahtschere etwas mehr von dem Fliegengitter zu entfernen, das den oberen Teil des Kastens schützt, werden die Wespen alarmiert, kommen aufgeregt aus dem Flugloch und sammeln sich auf der Außenhülle des Nestes. Eine Arbeiterin schwirrt sofort gegen meinen Kopfschutz. Dann folgen ihr mehrere und umfliegen mich.

Wieder bin ich überrascht. Solche Aktionen mit relativ wenig Erschütterungen und langsamen Bewegungen werden nach meinen Erfahrungen von Hornissenvölker in diesem frühen Stadium relativ ruhig hingenommen. Dort hätte ich wahrscheinlich keine Schutzkleidung getragen.

Glücklicherweise war ich ja durch die etwas nervöse Arbeiterin am 4.6. gewarnt und hatte mich heute mit einer Schutzjacke gesichert, sonst hätte ich jetzt wohl eine dicke Nase :-)

Über E-Mail-Austausch erfahre ich, dass die erhöhte Verteidigungsbereitschaft bei Dolichovespula Media, unserer "Mittleren Wespe", für diese Art nicht ungewöhnlich ist. Es scheint mit der exponierten Lage ihrer Nester zusammenzuhängen. Während andere Arten ihre Nester eher an geschützten Plätzen oder in Hohlräumen errichten, befinden sich die Nester von D. Media oft freihängend an Ästen in Hecken oder Bäumen. Dort sind sie natürlich eher den Angriffen von Vögeln und anderen Nesträubern ausgesetzt. Besonders in der Anfangsphase. Dies erfordert dann natürlich eine erhöhte Verteidigungsbereitschaft, um das Volk wirkungsvoll zu schützen.

Darüber hinaus hat die exponierte Lage solch eines Nestes natürlich auch zur Folge, dass es dem Wetter stärker ausgesetzt ist. Daher ist die Außenhülle eines D. Media-Nestes widerstandsfähiger und wasserabweisender als andere Nester. Das Baumaterial wird häufig von Pappeln genagt oder von verwitterten Holzoberflächen.

22.06.02

Nach einer längeren Pause sehe ich mir das Nest wieder an. Leider wurde es anscheinend von Vögeln zerstört und ausgeräubert. Die Brut ist verschwunden und auch von den Arbeiterinnen und der Königin fehlt jede Spur. Wahrscheinlich war der Nistort zu gut einsehbar und den Arbeiterinnen ist es nicht gelungen, die Angreifer abzuwehren.

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